Buchprojekt: "Mit den Dämonen tanzen - über die vergessenen mimetischen Grundlagen unseres Denkens"

„Wie steuert man ein System, das sich nicht steuern lässt?

Diese paradoxe Frage bringt unsere Ohnmacht und Ratlosigkeit angesichts der gegenwärtigen globalen und lokalen Krisen und Katastrophen präzise auf den Punkt.

     Paradoxien verweisen auf Unstimmigkeiten im eigenen Denken – die Welt an sich kann nicht paradox sein, sie ist wie sie ist. Immer wenn wir uns mit Paradoxien konfrontiert sehen, dann können wir das als ein Zeichen dafür nehmen, dass wir uns irgendwie verrannt haben – eine gute Gelegenheit innezuhalten und überhaupt erst einmal die eigene Rat-losigkeit anzuerkennen. Möglicherweise können wir dann zu den Wurzeln dieser Krisen vordringen und das verbindende Muster erkennen. Wir müssten ihnen dann nicht mehr aus der Schuld-/ Opferperspektive, sondern könnten ihr auf Augenhöhe begegnen. Dazu beizutragen ist die Absicht dieses Buches.

     Im Grunde sind Paradoxien nichts Neues; Menschen sind seit Urzeiten mit ihnen konfrontiert, genau gesagt seit Erfindung der Sprache vor ca. 125.000 Jahren. Die rationale Form der Sprache täuscht nämlich: sie verbirgt ihre nicht-rationalen, aus unserer heutigen Sicht: paradoxen Wurzeln – und damit auch die nicht-rationalen Grundlagen von Kultur und Bewusstsein. Frühe Gesellschaften hatten damit nicht unbedingt ein Problem; sie hatten noch nicht unser heutiges Bedürfnis nach lückenloser Kontrolle und ließen in ihrem Denken – etwa in der Form von Geistern und Dämonen – immer noch Platz für explizit Paradoxes, für Mehrdeutiges, Nicht-Kontrollierbares. So fanden sich immer wieder pragmatische Lösungen für individuelle bzw. soziale Krisen.

     Mit der zunehmenden Dominanz wissenschaftlich-analytischen Denkens ging aber das Wissen um seine nicht-rationalen Wurzeln und die Bereitschaft, ihnen eine Funktion zuzusprechen, immer mehr verloren. Wir haben keinen Sinn und nicht zuletzt auch keine Geduld mehr für Mehrdeutiges; alles muss widerspruchslos und vor allem: schnell aufgehen. Heute besteht daher die Gefahr, dass wir durch unsere Sucht nach Kontrolle tatsächlich immer mehr die Kontrolle verlieren und so, ohne es zu wissen, zu wollen oder gar verhindern zu können, auf selbstzerstörerische Weise unsere eigenen Existenzbedingungen untergraben – psychisch, sozial, materiell. Die eingangs zitierte paradoxe Frage stellt sich heute daher explizit: Bei Strafe des Untergangs müssen wir lernen, wieder mit Paradoxien und Nicht-Rationalem umzugehen, es in unserem Denken und Handeln bewusst in Rechnung zu stellen.

     Das erinnert an die Geschichte der Sphinx: Reisende, die die Stadt Theben betreten wollten, konfrontierte sie mit einem Rätsel; wer es nicht lösen konnte, wurde von ihr erwürgt und verschlungen. Das Rätsel der Sphinx betraf bekanntlich die Frage nach der menschlichen Identität. Der Schlüssel zu angemessenem Verständnis bzw. Umgang mit unserer heutigen globalen Situation liegt, so die These dieses Buchs, ebenfalls in der Besinnung auf das, was das Menschsein ausmacht. Ein Blick zurück auf die Evolution des Menschen, auf seine vorsprachliche, mimetische Entwicklungsstufe, kann dabei hilfreich sein. Er kann einstimmen auf die Frage, um die es in diesem Buch geht: um einen Blick auf die „vergessenen Grundlagen des Menschseins“ , auf die nicht-rationalen Wurzeln von Kultur und Bewusstsein. Die Erinnerung (oder englisch: re-membering, das Wieder-Eingliedern) kann helfen, den historischen Weg des Vergessens und Verdrängens zu rekonstruieren und das Abgespaltene wieder in unser Denken und Handeln zu integrieren. Je besser dies gelingt, desto leichter werden wir die gegenwärtigen Krisen meistern können.

 

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--K kapitel 1 - 15.2..pdf
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Erster Teil des ersten Kapitels, Fassung vom 25. 2.

Ausgangspunkt der Entwicklung menschlichen Bewusstseins war schlicht und einfach die – auch schon bei Primaten vorhandene – Lust am Spiel: Indem die frühen Menschen Naturvorgänge – z. B. das „Spiel“ des Winds mit dem Feuer, mit Wasser, mit Blättern – nachahmten, lernten sie, zwischen der Arbeitsweise von Natur und der ihres eigenen Geistes zu unterscheiden, also Innen und Außen bewusst auseinander zu halten – und beides spielerisch aufeinander abzustimmen. Sie entwickelten dabei Aufmerksamkeit für stimmige Proportionen und das heißt: Sinn für Ästhetik.

Denken entsteht aus der Freude am gemeinsamen Tun. Die moderne

Vorstellung vom Denken könnte gegensätzlicher nicht sein. Rodin hat mit seinem "Denker" diese Vorstellung in Stein gemeißelt: von Freude keine Spur, einsam in sich gekehrt, unbewegt.

 

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